Der Schmerz der Seele - Ostsee-Krimi (Hannes Niehaus 5) (German Edition) by Hendrik Falkenberg

Der Schmerz der Seele - Ostsee-Krimi (Hannes Niehaus 5) (German Edition) by Hendrik Falkenberg

Autor:Hendrik Falkenberg [Falkenberg, Hendrik]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9781611097375
Herausgeber: Edition M
veröffentlicht: 2017-06-26T22:00:00+00:00


KAPITEL 11

DER ZWÖLFTE GEBURTSTAG

Seit an ihrem neunten Geburtstag das Geheimnis um die Herkunft des Mädchens gelüftet worden war, wurde aus der Adoption kein Hehl mehr gemacht. Dies führte zugleich dazu, dass sich ihr Bruder noch mehr als der natürliche Mittelpunkt der Familie betrachtete. Da der verwahrloste Zustand des Bauernhofes zunehmend Gesprächsstoff im Ort wurde, nutzte sie die Gelegenheit, sich von ihrer Familie zu distanzieren. Die Adoptiveltern redete sie nur noch mit Vornamen an und erzählte jedem, dass sie als Baby adoptiert worden war. Allerdings zeigte dies nicht den gewünschten Effekt, denn sie wurde nur mit noch größerem Gespött überschüttet. Das änderte sich erst, als sie auf das Gymnasium versetzt wurde.

Um die Schule zu besuchen, musste sie mit dem Bus zwei Ortschaften weiter fahren, und zu ihrem Glück durchmischten sich ihre alten Klassenkameraden mit neuen, unbekannten Gesichtern. Nach einer Woche hatte sie sogar die erste richtige Freundin gefunden – eine Begleiterin, die zwar jünger, aber selbstbewusst, stark und nicht auf den Mund gefallen war. Schnell nahm die selbstbewusste Schülerin das unsichere Mädchen unter ihre Fittiche und sorgte dafür, dass die Spottverse und verächtlichen Kommentare nicht mit in die neue Schule umsiedelten. Von der Schule aus betrachtet wohnte sie auf der entgegengesetzten Seite des Bauernhofs, auf dem ihre Freundin aufwuchs. Die Treffen außerhalb des Unterrichts waren daher selten, zumal sich das Mädchen schämte, jemanden mit nach Hause zu nehmen.

Dort war die Stimmung in den vergangenen Jahren nicht besser geworden. Zwischen der Bäuerin und dem Bauern herrschte die meiste Zeit über eisiges Schweigen – und wenn sie mal Worte miteinander wechselten, handelte es sich selten um Freundlichkeiten. Das Mädchen konnte Mariannes Verbitterung verstehen, schließlich hatte sie sich mit Bruno einen Faulpelz und Trinker ins Haus geholt. Dies führte aber nicht dazu, dass sich Adoptivmutter und -tochter näherkamen. Im Gegenteil. Das Mädchen wurde in regelmäßigen Abständen daran erinnert, dass erst der Tod des ersten Ehemannes die Familie an den Rand des Abgrunds gebracht hatte.

Kaum ein Tag verging, an dem das Kind nicht über die richtigen Eltern grübelte. Ob sie die Augen vom Vater hatte und den Mund von der Mutter? Waren sie groß oder klein? Dick oder dünn? In ihrem Inneren malte sie immer neue Bilder dieser unbekannten Menschen, und dabei fiel ihr gar nicht auf, dass diese imaginären Pinselstriche immer dunkler und gehässiger wurden. Vermutlich war es eine verständliche Reaktion. Marianne gab sich zwar äußerst wortkarg, ab und zu ließ sie aber eine Kleinigkeit heraus. Aus diesen Fragmenten setzte sich das Mädchen Stück für Stück ein Bild zusammen.

Ihre Eltern waren wohlhabend und erfolgreich, hatten in ihrem geordneten Leben aber keinen Platz für das Kind gehabt. Vor allem die Mutter hatte sich mit dem schreienden Baby überfordert gezeigt. Schon wenige Wochen nach der Geburt war es zur Adoption freigegeben worden.

»Warum haben sie mich dann überhaupt bekommen?«, hatte sie verzweifelt gefragt.

Der Stiefvater hatte die Frage gehört und ein raues Lachen von sich gegeben. »Hast du schon mal gesehen, wie es die Katzen auf dem Hof treiben? Die haben ihre Triebe genauso wenig im Griff wie damals deine Eltern.



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